Wie jeden Sommer in den letzten 12 Jahren bin ich auch in diesem Jahr in mein Sehnsuchtsland Schweden gereist. Während zwei Monaten habe ich recherchiert, aber auch viel sinniert. Kann es sein, dass man mit dem Alter ruhiger wird? Ich merke, dass ich mir lieber mehr Zeit für einen Ort nehme als wenig Zeit für viele Orte. Dabei entstehen intime Momente, die zum Nachdenken anregen. Oder ist das schon Philosophie? Ich möchte euch meine Gedanken eines besonderen Abends nicht vorenthalten.
Der warme Schein der Kerzen tanzt über die Holzvertäfelung des kleinen schwedischen Restaurants in Westschweden, während draussen der Wind sanft durch die Birken streicht. Es ist einer dieser Orte, die mir das Gefühl geben, tief in der Tradition des Landes verwurzelt zu sein – die Wände atmen Geschichte, und in der Luft liegt der Duft von frischem Dill, geräuchertem Lachs und frischen Kartoffeln. Der Teller vor mir ist leer, aber die Aromen hallen nach, wie eine Geschichte, die man sich noch lange erzählt, nachdem sie zu Ende ist. Mit dem Lachs verbinde ich viele Erlebnisse mit meinem Sehnsuchtsland Schweden. Da war die frühmorgendliche Fischauktion in Göteborg oder der Besuch bei ⇢ Familie Ökvist Thurfjell auf Junkön.
In Schweden zu sein, besonders an einem Ort wie diesem, ist wie eine Entdeckungsreise, nicht nur geografisch, sondern auch innerlich. Das Land lädt dazu ein, still zu werden, in sich zu gehen und die Welt um sich herum auf eine andere Art und Weise wahrzunehmen. Die Weite der Wälder, die Kälte der Seen, das sanfte Licht der langen Sommerabende – alles hat eine gewisse Ruhe, die einen unwillkürlich entschleunigen lässt. So auch hier, in diesem Restaurant, wo das Essen nicht nur eine Mahlzeit ist, sondern auch ein Moment der Besinnung. Vor allem in Nordschweden kann man den Menschen völlig aus dem Weg gehen, wenn man will. Das liebe ich so an meinem Sehnsuchtsland Schweden.
Der Aquavit, den ich langsam schlucke, brennt warm in der Kehle und gibt den Gliedern eine Schwere, die aber nicht erdrückend ist, sondern eher wie eine warme Decke an einem kalten Tag. In solchen Augenblicken werde ich melancholisch. Ich lehne mich zufrieden zurück und denke nach. Über das Reisen, das Entdecken und das einfache Geniessen des Augenblicks. Manchmal bedauere ich dann, dass ich diesen Moment nicht mit jemandem teilen kann.
Mein Sehnsuchtsland Schweden mit allen Sinnen geniessen
Schweden ist ein Land, das sich nicht aufdrängt. Es fordert dich nicht auf, es zu erleben – du musst es von dir aus wollen. Und so ist es auch mit dem Genuss. Er ist subtil, leise. Ein Stück Käse, das langsam auf der Zunge zergeht, eine Scheibe Knäckebrot mit eingelegtem Hering, der ein ganzes Meer in sich trägt. Es ist ein Genuss, der nicht sofort nach mehr schreit, sondern dir sagt: „Das hier ist genug“. Ich erinnere mich an die Begegnungen mit Pär und Johanna Hellström von ⇢ Svedian Ost oder den Austausch mit Thomas Berglund von ⇢ Almnäs Bruk. Und wenn ich an Hering denke, fällt mir unweigerlich das herrliche Julbord von ⇢ Gert Klötzke im ⇢ Fjäderholmarnas Krog ein.
In solchen Momenten wird mir bewusst, dass Reisen nicht immer das ist, was man erwartet. Es geht nicht nur um grosse Entdeckungen, majestätische Landschaften oder berühmte Sehenswürdigkeiten. Oft geht es um das Einfache, das Ehrliche – um das, was man mit offenen Sinnen wahrnimmt. Das kann ein schlichter Baum sein oder ein gelb leuchtendes Rapsfeld mit vereinzelten roten Mohnblumen. Die eigentliche Entdeckungsreise findet nicht immer draussen statt, sondern oft drinnen, wenn man sich auf eine neue Art der Ruhe und des Genusses einlässt. Oft sitze ich in einem Sternerestaurant und bin fasziniert von der Atmosphäre, dem Besteck, dem phänomenalen Service oder den anderen Gästen.
Was mich an der schwedischen Küche so fasziniert, ist genau diese Ruhe, diese Ehrlichkeit. Es gibt meist keine überbordenden Aromen, keine überwältigenden Gewürze. Stattdessen sind es die klaren, reinen Aromen, die alles sagen. Sie erinnern mich daran, dass das Leben auch so sein kann – es muss nicht immer laut und hektisch sein, es muss nicht immer nach mehr streben. Manchmal reicht es, innezuhalten und das zu geniessen, was man gerade vor sich hat. Für mich sind diese Momente sehr wichtig, denn zu Hause im Alltag ist es oft hektisch und mein Terminkalender ist voll.
Und vielleicht, denke ich, ist das eine Lektion, die man beim Reisen und Geniessen lernt: zu wissen, wann es genug ist. Die schwedische Kultur versteht das (Lagom), und vielleicht sollte ich das auch lernen. Jetzt, in diesem Moment, ist alles genau richtig – die Wärme des Restaurants, der Geschmack des Essens, die Langsamkeit der Zeit. Ich bin hier, in einem fremden Land, auf einer Entdeckungsreise, und doch fühle ich mich zu Hause – in mir selbst, in diesem Moment des reinen, einfachen Genusses.