Gert Klötzke und der kulinarische Aufstieg Schwedens

Ein Gespräch mit dem Grandseigneur der schwedischen Küche

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Vor einigen Jahrzehnten fand Skandinavien auf der kulinarischen Weltkarte kaum statt. Unterdessen hat sich unter anderem Schweden ganz an die Spitze der kulinarischen Reiseführer gekocht. Das ist eine Entwicklung, die auch ich, nicht zuletzt auf der Waage, feststelle. Einer der Treiber der „kulinarischen Macht Schweden“ ist Gastronomie-Professor Gert Klötzke. Ich habe ihn auf Fjäderholmarna getroffen. (Titelfoto: kent@hirsch.se)

Gert Klötzke
Gert Klötzke ist Chefjuror der internationalen Titelkämpfe. (Foto: Gert Klötzke)

Stockholm, mitten in der Woche, Feierabendverkehr. Ich habe im Scandic Grand Central eingecheckt. In diesem Jahr bin ich nur kurz in Stockholm. Der Aufenthalt hat es aber in sich. Ich bin mit Gert Klötzke, unter anderem Olympiasieger mit der schwedischen Kochnationalmannschaft, verabredet. Wir werden zusammen im Fjäderholmarnas Krog essen.

Mit Gert Klötzke durch den Stau

Dass dies ein ganz spezieller Abend werden sollte, war für mich spätestens dann klar, als Gert mir mitteilte, er würde mich im Hotel abholen und ich müsse nicht mit der Fähre auf die Insel rüberschipppern. Und so hat sich Schwedens Koch des Jahres mit seinem Auto quer durch die Stadt und durch den Stau gekämpft, um mich abzuholen. Vielen Dank dafür. So eine Autofahrt ist natürlich die beste Gelegenheit, um über Gott und die Welt zu reden.

Die erste Frage, die ich jedem Koch stelle: Weshalb sind Sie Koch geworden?

Ich war ein sehr schlechter Schüler (lacht), da blieb mir nicht’s anderes übrig. Nein, im Ernst. Mein Vater war Küchenmeister, da habe ich die Kochgene wahrscheinlich geerbt.

Ich bin bei meinen Grosseltern aufgewachsen. Meine Grossmutter hat sehr viel gekocht. Alles Mögliche. Ente, Sauerkraut, die richtig gute deutsche, deftige Hausmannskost. Ich habe als Kind sehr gerne gegessen.

Als ich 12 Jahre alt war, habe ich begonnen in der Küche zu helfen. Später mit 16 absolvierte ich die Restaurant Schule und arbeitete anschliessend in Luzern und England. Mit 25 Jahren eröffnete ich mein erstes Restaurant.

Fjäderholmarnas Krog
Unser Ziel: Der Fjäderholmarnas Krog. Gut gebucht zu allen Jahreszeiten (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Wenn man in Schweden Koch lernen möchte, wie geht das? Lernt man das, indem man eine Lehre macht?

Leider haben wir in Schweden nicht ein so gutes System, wie in der Schweiz. In Schweden geht man nur zur Schule und arbeitet leider viel zu wenig praktisch. Es wird viel gelesen, viel Theorie gebüffelt und dann hat man sehr kurze Perioden, in denen man im Restaurant arbeitet. Das sind vielleicht vier Wochen. Das ist viel zu kurz, auch für die Arbeitgeber. Da kommt man nicht über Zwiebelschälen hinaus.

Nach der Schule kann man dann an die Uni gehen und weiter studieren, wenn man sich vertieft mit der Gastronomie befassen will.

Es gibt in Schweden aber auch Köche, die hervorragend sind, ohne dass sie die Kochschule absolviert haben.

Ich war an der Restaurantschule der beste Schüler und das hat natürlich motiviert mich weiter zu verbessern und zu lernen.

Das verstehe ich aber nicht ganz. Kochen ist doch vor allem ein Handwerk?

Ja das ist so. Aber in Schweden stellt man sich auf den Standpunkt, dass in erster Linie die Theorie zu Beginn wichtig ist.

Klar lernt man an der Schule, wie man einen Fisch filetiert. Aber Sie wissen ja selber, wie das heutzutage ist. In der Praxis wird dann viel fertig gekauft, und dann verlernt man diese Techniken schnell wieder. Gut wird man nur mit üben und üben.

Viele der guten Köche heute haben sich das Know-how erarbeitet, in dem sie in guten Restaurants einen Job gesucht und bekommen haben. Sie bleiben dann ein, zwei Jahre dort und lernen enorm viel dazu.

Ab der Schule beginnt man im Berufsleben praktisch nochmals von vorn, was das praktische Wissen betrifft.

Also wer ein guter Koch werden will, muss sich seine Ausbildungsstationen selber aussuchen?.

Ja, genau. Und viele Schweden gehen deshalb auch eine Zeit ins Ausland. Die Schweden haben einen guten Ruf, da sie pünktlich sind, nicht trinken während der Arbeit und schnell lernen.

Auf das Ausland kommen wir dann später noch zu sprechen. Was mich noch wunder nimmt: Hatten Sie Vorbilder? Paul Bocuse?

Nein, nein überhaupt nicht. Für mich waren auch so Wettbewerbe nicht interessant. Ich war schon über 40 Jahre alt, als ich Koch des Jahres in Schweden wurde. Meine Frau sagte, geh doch mal an einen Wettbewerb. Da wurde ich dann Wildkoch des Jahres, dann nochmals Koch des Jahres. Dann war ich bei den drei Besten der Desserts und wurde in die Nationalmannschaft aufgenommen. Ich habe das aber nie als Ziel im Fokus gehabt und hatte komischerweise auch keine Vorbilder.

Ich habe aber über 4000 Kochbücher zuhause. Mich interessierten schon immer die Küchen der verschieden Länder. Die Gourmetköche aus Deutschland und der Schweiz haben mich natürlich inspiriert und auf neue Ideen gebracht.

Gert Klötzke und seine Auszeichnungen

An dieser Stelle bedarf es durchaus einer kurzen Würdigung von Gert Klötzkes Palmarès. 1986 wurde er sowohl Koch des Jahres, Küchenchef des Jahres und Wild-Koch des Jahres. Zudem Finalist Dessert-Koch des Jahres.

Gert Klötzke

Als Teamchef der schwedischen Kochnationalmannschaft wurde er Weltmeister und zweimal Olympiasieger. Gert ist kulinarischer Berater des jährlichen Nobelpreis Banketts und betreut aktuell die Finnische und Isländische Kochnationalmannschaft.

Zum 60. Geburtstag von König Carl Gustav XVI war Gert Klötzke für das grosse Geburtstags-Bankett verantwortlich.

Klötzke engagiert sich in Gastspielen, sowohl in Schweden, als auch im Ausland. Dabei setzt er den Fokus auf die schwedische Lebensmittelkultur. Die schwedischen Zutaten stehen immer im Zentrum und viele Kleinproduzenten erhalten die Möglichkeit für internationale Präsenz.

Seit 2006 inszeniert Gert Klötzke das Julbord im Fjäderholmarnas Krog mit täglich über 300 Gästen und seit 2010 unterstützt der Schwede das jährliche 10-Wochen Gastespiel „Smörgåsbord“ im Restaurant Au Premier in Zürich.

Dazu hat Gert Klötzke auch ein Kochbuch unter dem Titel „Smörgåsbord“ verfasst (ISBN 979-91-7126-171-7). Hier zeigt er sozusagen das Smörgåsbord 2.0. Viele kleine Happen, statt überladene Platten.

Das klassische Smörgåsbord in modernem Style. (Foto: Andrea Ullius)

Unterdessen sind wir im Fjäderholmarnas Krog angekommen. Kent, die gute Seele der Insel, hat uns mit seinem Boot in Nacka Strand abgeholt und zur Insel gefahren.

Gert Klötze, der Liebling des Fäderholmarnas Krog

Im Restaurant bricht überschwängliche Freude aus, als Gert Klötzke das Lokal betritt. Es scheint, dass alle unglaublich gerne mit Gert zusammenarbeiten. Alle freuen sich schon auf das „Julbord“. Aktuell ist aber Sommer und wir geniessen einen tollen Fensterplatz mit Blick über die Schären. Zeit das Gespräch fortzuführen.

Der Fjäderholmarnas Krog ist perfekt gelegen in den Schären vor Stockholm. (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Gert, wenn man Ihren Lebenslauf durchliest, dann wimmelt es da nur so von Auszeichungen. Es nimmt keine Ende. Was bedeutet es Ihnen, so viele Erfolge gefeiert zu haben? Ist das wie, wenn ein Sportler eine Medaille bekommt?

Es ist natürlich immer sehr schön, wenn man eine Auszeichnung bekommt. Ich habe aber der Auszeichnung als solches nie übermässigen Wert beigemessen. Die Herausforderung war für mich die jeweilige Aufgabe, die ich möglichst perfekt erfüllen wollte. Ich bin nicht jemand, der dann die Medaillen an die Wand hängt. Aber klar, Freude hat man natürlich schon, wenn die Arbeit geschätzt wird.

Aber wie es, wenn man so eine herausragende Persönlichkeit in der schwedischen Gastronomie ist?

Ach, ich denke da gar nicht so daran. Ich bin ja jetzt auch nicht mehr so aktiv, wie vor zehn Jahren. Ich gönne mir mehr Ruhe und überlassen vieles auch meinen tollen Berufskollegen. Ich möchte einfach so fünf, sechs Mal im Jahr gute Essen machen und schöne Projekte betreuen.

Das perfekt inszenierte Julbord von Gert Klötzke. (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Ist es richtig, wenn ich sage, dass Sie mitverantwortlich sind, dass die schwedische Küche in den letzten 15 Jahren so populär wurde? Sie hat sich ja unglaublich verbessert.

Wenn ich schaue, welche Köche wir in der Nationalmannschaft von 1988 bis 2004 dabeihatten, dann spielen sicher 80 Prozent davon in der schwedischen Gastronomie eine bedeutende Rolle. Insofern habe ich vielleicht schon einen kleinen Anteil daran, weil ich sie gecoacht habe. All diese tollen Köche zusammen und all jene, die immer neu dazu kommen, sind für die Steigerung der Qualität der schwedischen Gastronomie verantwortlich.

Was sind für Sie die Hauptmerkmale der schwedischen Küche?

Man hat die alten Methoden wieder entdeckt: salzen, räuchern, einmachen usw. Diese Techniken stammen zum Teil aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Und nun werden diese neu interprätiert und eingesetzt. Dann ist das Naturnahe und Regionale sicher auch ein Eckpunkt der schwedischen Küche.

Früher entstanden Trends in New York und tauchten dann einige Monate später in Stockholm auf. Heute hat die schwedische Küche ihren eigenen Stil und kann selber Trends setzen. Das Produkt steht im Vordergrund und mit neuen Zubereitungsarten und Kombinationen wird das Produkt neu inszeniert. Die Gerichte sind oft sehr schlicht, wie auch das Design in Schweden.

Herigvariationen: ein Klassiker in Schweden. (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Und dadurch setzt die schwedische Küche auch internationale Akzente?

Ich würde sagen generell die nordische Küche. Wenn man nach Dänemark oder Island schaut, dann haben die da hervorragende Köche und Gastronomen. Sogar in Finnland gibt es unterdessen grossartige Restaurants. In Schweden stelle ich fest, dass nicht mehr nur die grosse Städte brillieren, sondern dass erstklassige Gastronomie je länger je mehr auch auf dem Land zu finden ist. Nur ganz oben im Norden sind die Top-Restaurants noch etwas weniger angesiedelt.

Kochen die Schweden nun auch zu hause besser?

Leider nicht immer. Oft stelle ich fest, dass in schwedischen Haushalten zwar top moderne Küchen stehen, diese aber nur selten genutzt werden. Im Restaurant legen die Schweden Wert auf hochwertige und regionale Produkte, zu hause kommt dann aber Fertig-Food auf den Teller. Tendenziell ernähren sich die Schweden aber trotzdem bewusster als vor 20 Jahren.

Was sind Ihre Lieblingsgerichte? Deutsche Hausmannskost?

(Lacht) Ja auch. Aber die Vietnamesische Küche habe ich sehr gern. Da wird viel mit frischen Kräutern gekocht. Ich mag generell den asiatischen Raum.

Auch ein toller Sonnenuntergang gehört zu einem tollen Essen. (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Und welches sind Ihre Lieblingsrestaurants?

Das kann ich gar nicht sagen. Das gibt es bei mir eigentlich nicht. Ich hatte kürzlich einen Auftrag in Athen und da habe ich ein kleines Fischrestaurant ausserhalb der Stadt besucht. Das war ein wunderbares Essen.

Und nebst dem Essen gehören ja noch weitere Komponenten, wie Ambiente, Service usw. dazu. Da gibt es so viele gute Restaurants, die diese Kriterien erfüllen. In Stockholm esse ich sehr gerne im Farang. Man isst da teilweise besser asiatisch, als in Asien selber.

Und welche Küchen haben die Schweden als solches noch gerne?

(Lacht) Die italienische Küche ist bei uns auch hoch im Kurs. In den kleinen Dörfen hat es immer eine Pizzeria und ein Thai-Restaurant. Und natürlich gibt es auch immer einen Kebab Stand.

Mal etwas weg vom Essen. Wo sind Sie am liebsten in Schweden.

Ich liebe Stockholm. Dann bin ich oft in Dalarna in meinem Sommerhaus. Umeå gefällt mir auch sehr gut mit den guten Restaurants und den vielen Studenten. An der Westküste bin ich fast nie, in Malmö auch nicht. Hin und wieder bin ich noch in Österlen.

Zum Schluss habe ich mir ein paar Stichworte ausgesucht. Sie müssen sich für eines entscheiden.

Kalt oder Warm? > Warm
Fleisch oder Fisch? > Fleisch
Bier oder Wein? > Wein
Karotten oder Tomaten? > Tomaten
Hummer oder Gänseleber? > Hummer
Sill oder Strömming? > Natürlich Sill (lacht)
Hausmannskost oder Gourmet Menü? > Eigentlich Hausmannskost, die kann ja auch Gourmet sein

Natürlich haben wir auf den schönen Abend mit einem Glas Champagner angestossen (Foto: Fjäderholmarnas Krog)

Das geheime Whiskey-Lager

Nach einem hervorragenden Nachtessen suchen wir Kent für die Rückfahrt nach Stockholm. Wir finden ihn in einem alten Bunker voller Whiskey Fässern. Auf Fjäderholmarna ist eines der Lager von Mackmyra Whiskey. Entsprechend aromatisch riecht es in den Gemäuern.

Hier lagern die edlen Tropfen von Macmyra. (Foto: Andrea Ullius)

Kauft man ein Fass dieses Whiskeys, so kann man wählen, wo man es lagern möchte. Der Bunker auf Fjäderholmen ist eine Möglichkeit. Eine andere ist die Sky Bar von Lofsdalen. Darüber habe ich auch schon geschrieben.

Selbstverständlich offeriert Kent uns eine kleine Degustation, bevor wir uns mit seinem Boot zurück nach Nacka Strand begeben und Gert Klötzke mich ins Hotel zurück fährt.

Schwedensommer
Stargastronom Gert Klötzke (links) und unser Kapitän Kent (rechts). (Foto: Andrea Ullius)

Auch nach einige Wochen bin ich immer noch sehr von Gert Klötzke angetan. Seine offene und gewinnende Art hat mich fasziniert. Das grossartige Essen im Fjäderholmarnas Korg zusammen mit dem spannenden Gespräch über Essen und Gastronomie hat mir das kulinarische Schweden noch etwas näher gebracht.

Fjäderholmarnas Krog
Stora Fjäderholmen

SWE-100 05 Stockholm

+46 8 718 33 55
info@fjaderholmarnaskrog.se
fjaderholmarnaskrog.se

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Autor des Artikels

Andrea Ullius
DROGIST - AUTOR - BLOGGER UND SCOUT Vom Norden begeistern, am Rest der Welt interessiert. Schreibt vorwiegend in und über Schweden, Skandinavien und die Schweiz. Ich schreibe auf www.schwedenhappen.ch und www.ullala.ch Freischaffender Autor für NORDIS MAGAZIN, NORDCAMPER und NORDLAND MAGAZIN und weitere. MEMBER of DEUTSCHER VERBAND DER PRESSEJOURNALISTEN. MEMBER OF SWISS TRAVELCOMMUNICATORS. AMBASSADOR of SKANDINAVIEN.LIVE.