Mit Schlittschuhen auf gefrorenen Seen rumfahren, dem sagen sie in Schweden Ice Skating. Hier in Stockholm ist das körperliche Ertüchtigung, Familien-Beschäftigung und Burnout-Verhinderung in einem. Der absolute Kenner von Eis, Technik und Equipment ist Ice-Guide Joakim Malm. Ich habe mir seine Dienste gesichert und mich auf‘s Glatteis gewagt.
Eigentlich sollte man meinen, dass Schlittschuhlaufen ähnlich wie Radfahren ist: man verlernt es nie. Wenn man dann aber, wie ich, nach Jahrzehnten wieder einmal auf Kufen steht, dann ist das ziemlich wacklig. Aber beginnen wir von Vorne.
Joakim Malm ist Frühaufsteher. Das war zu meinem Nachteil. Oder war es ein Vorteil? Jedenfalls beorderte mich Joakim auf 07:45 in sein Geschäft, wo ich schon mal ein paar passende Schuhe für das Abenteuer Ice Skating aussuchen durfte. Für diese Tätigkeit braucht es nämlich spezielle Dinger an den Füssen.
Schon bald trudelte der Rest der Gruppe bei ICEguide ein. Australier, Amerikaner, Asiaten. Wir waren total acht Personen, die das Abenteuer Natureis wagten. Alle hatten die „Anfänger-Schnupper-Tour“ gebucht. Ab zwei Personen finden die Touren statt, in einer Gruppe hat es in der Regel 8 aber sicher nie mehr als 10 Personen. Dies hat seinen Grund, wie ich später feststellen sollte.
Aus der Not entstand ICEguide
Joakim Malm hat sein Unternehmen ICEguide vor zehn Jahren gegründet. Passiert ist es aus einer Not heraus.
„Ich habe lange für ein Unternehmen gearbeitet, das Fahrräder verkaufte. Der Hauptsitz war in Göteborg angesiedelt, und ich war in der Zweigstelle Stockholm verantwortlich für die Produkte. Eines Tages teilte man mir mit, dass die Niederlassung in Stockholm geschlossen wird. Ich hätte nach Göteborg ziehen können, mein Bauchgefühl sagte jedoch NEIN“, erklärt Joak.
So hat er dann einen Businessplan erstellt, die Finanzierung sichergestellt und sein Geschäft von zuhause aus gestartet.
Sicherheit an erster Stelle bei Ice Skating
Nachdem alle unserer Gruppe ihre Spezialschuhe montiert hatten, begann Joakim mit der Instruktion. Er erzählte über Eis und Ausrüstung. Es gab einen Film über das korrekte Verhalten bei Notsituationen zu sehen.
Viellicht muss ich dir das nochmals klar machen. Du wirst beim Eis Skating auf einem gefrorenen Gewässer unterwegs sein. Je nach klimatischen Bedingungen kann das im Schärengarten, auf den Kanälen in der Stadt, auf dem Mälaren oder anderen kleineren Seen sein. Manchmal ist das Eis dick, manchmal aber an gewissen Stelle dünn. Es kommt durchaus vor, dass man im Eis einbricht und dann irgendwie aus dem Wasser rauskommen muss.
Es ist deshalb sehr wichtig, dass du das Thema Sicherheit ernst nimmst und deine Ausrüstung kennst. Keine Angst, wir waren mit unserer Gruppe auf absolut problemlosem Eis, das auch durch die Stadt präpariert (vom Schnee befreit) wurde, unterwegs.
Perfekte Vorbereitung, perfekte Instruktion
Ich war beeindruckt, wie toll die ganze kleine Expedition vorbereitet war. Für jede Person stand schon ein gepackter Rucksack mit der persönlichen Ausrüstung bereit, mit Namen versehen wohlverstanden. Wenn du bei ICEguide eine Tour buchst, muss du z.B. deine Kleidergrösse angeben. Entsprechend wird das Equipment zusammengestellt.
Zur umfassenden Ausrüstung gehört nebst Rucksack (dient im Notfall auch als Schwimmweste), eine Dauenjacke, falls du kalt bekommst, Ersatzkleider, falls du ins Wasser fällst, die Notfallausrüstung mit Rettungleine und Hilflsmitteln, um aus dem Wasser zu kommen, natürlich einen Helm, Knie- und Ellenbogenschoner, sowie Verpflegung und Getränke.
Wenn der erste Winter in die Hose geht
Für Joakim war immer klar, dass er sein Unternehmen ICEguide sehr professionell führen will. So ein bisschen Guiding am Feierabend oder am Wochenende, wie es oft in Schweden gemacht wird, kam für den Stockholmer nicht in Frage. Also kümmerte er sich um genügend Ausrüstung, das Marketing und und und. Dumm war einfach, dass der erste Winter bei seinem Start zu den wärmsten in den letzten 100 Jahren gehörte. Kein Eis, keine Gäste. Auf Bademeister wollte Joakim nicht umsatteln, und so bleib die Hoffnung, dass dann der nächste Winter besser würde. Er wurde es, und somit gediehen die Geschäfte von ICEguide besser und besser.
Mit dem Bus fuhren wir etwa zwanzig Minuten südlich Richtung Haninge an den See Drevviken und parkierten auf dem Parkplatz von Hökarängsbadet. Was wir alles im Rucksack hatten, wussten wir ja schon, wie man den aber korrekt anzieht, bedurfte nochmals einer ausführlichen Instruktion. Gleiches galt für die Montage der Kufen an den Schuhen. Die muss man „einklinken“, ähnlich wie bei Langlaufskis.
Nun Stand ich auf den Kufen, oder besser gesagt, ich wackelte auf den Kufen. Da man um die Fesseln relativ beweglich ist, fühlt sich das Ganze zu Beginn doch ziemlich instabil an. Zum Glück hat man noch Stöcke, welche die Balance massiv verbessern. Die Stöcke haben zwei Funktionen. Sie helfen dir beim Aufstehen und der Balance. Zudem sind sie mit sehr spitzen Enden versehen. Damit kann man die Eisdicke und Stabilität testen. Einfach aufs Eis hacken.
Und dann gleiten, gleiten, gleiten
Joakim erklärte nun allen, wie man sich mit diesen Schlittschuhen am besten vorwärts bewegt. Und da probieren besser als studieren ist, wagte ich mich sofort aufs Glatteis. Das ging doch schon ganz flott. Technisch kann man sich relativ gut an Skilanglauf orientieren. Da man auf Natureis unterwegs ist, muss man auf Unebenheiten und Stellen, wo das Eis gebrochen ist achten. Speziell diese Bruchstellen sind sehr tückisch
Nicht alle hatte die Tücken des Eises so schnell im Griff. Einer der Asiaten hat sich grausam auf‘s Eis gelegt und dabei das Knie verdreht. Zusammen mit seinen beiden Freundinnen ist er dann zurück zum Auto. Ende Gelände. Hier hat sich die alte Binsenwahrheit einmal mehr bestätigt: Stürze aus dem Stand sind meist gravierender, als solche mit Tempo. Mich hat es nämlich auch zwei mal erwischt und es war problemlos. Nachdem dann auch die Seniorin aus Australien die Segel strich, waren wir noch zu viert und konnten zügig auf die Runde.
Zu Beginn seiner ICEguide Karriere hat Joakim Holm die ganze Tätigkeit von zuhause aus organisiert. Er hat seine Gäste jeweils am Bahnhof abgeholt oder einen anderen Treffpunkt vereinbart. Das war natürlich sehr mühsam, da das ganz Material immer von A nach B transportiert werden musste. Vor vier Jahren konnte Joakim die Lokalitäten am Kungsbro strand 21 beziehen und sich gleichzeitig den Brand „Stockholm Adventure“ sichern. Unterdessen umfasst das Angebot von Joakim auch Sommeraktivitäten, wie Seagway-, Mountainbike- und Kajaktouren. Am Kungsbro strand 21 ist nun der Dreh- und Angelpunkt für alle Abenteuer, die der Schwede anbietet. Dabei kannst du geführte Touren buchen oder das Equipment einfach mieten.
Wichtig: Outdoor Fika auch beim Ice Skating
Zu einem richtigen Abenteuer in Schweden gehört immer eine Outdoor-Fika. Das war auf unserer Tour nicht anders. Etwas abseits der Eisroute richteten wir uns windgeschützt auf ein paar Steinen ein und genossen heissen Kaffee, ein Sandwich, Suppe und Kekse. Dank der Daunenjacken war es warm und die Stimmung toll. Schön an solchen Touren ist ja auch, dass man immer neue Menschen kennen lernt und somit erfahren kann, was sonst noch in der Welt so läuft.
Unterdessen beschäftigt Joakim Holm über 25 Guides. Bei Hochbetrieb kann es durchaus sein, dass bis zu 12 Mitarbeitende im Einsatz sind und 100 Gäste betreuen. Angeboten werden nebst den Gruppen-Touren auch persönliche Touren oder spezielle Aktivitäten für Firmen. Cool sind auch die Mehrtagesaktivitäten. Hier wird dein Gepäck jeweils von Hotel zu Hotel transportiert, und du bist nur mit leichtem Gepäck und natürlich genügend Verpflegung auf dem Eis unterwegs.
Joakim und sein Team nimmt sich wirklich Zeit für jeden Gast. Deshalb sind die Gruppen nie grösser als acht bis zehn Personen. Gerade bei Zwischenfällen, wie wir sie hatten, ist es wichtig, die Übersicht zu bewahren und schnell zu reagieren. Die Angebote auf dem Eis kann Joakim je nach Wetter- und Klimabedingungen von Weihnachten bis ca. Mitte März anbieten. Im Schnitt konnte ICEguide in den letzten Jahren 75 Tage pro Saison tätig sein.
Unsere komplette Tour hat um 8 Uhr mit der Instruktion begonnen und endete um 14 Uhr wieder im Headquarter von ICEguide. Mit allen Umwegen sind wir über 25 Kilometer übers Eis geglitten. Ich finde das beachtlich. Ich kann dir dieses Abenteuer wärmstens empfehlen. Du wirst das einerseits als Sport, anderseits schon fast als eine Art Meditation erleben, wenn du so über das Eis gleitest, der Wind um dein Haupt streicht und du die Weite des Sees vor dir hast. Schaut dir auch den Filme ganz am Ende des Artikels an. Hier kannst du das Feeling spüren, das man bei Ice Skating hat.
ICEGUIDE / STOCKHOLM ADVENTURES KUNGSBRO STRAND 21 SWE–112 26 STOCKHOLM +46 8 33 60 01 JOAKIM@STOCKHOLMADVENTURES.COM WWW.STOCKHOLMADVENTURES.COM WWW.ICEGUIDE.SE 59.330967, 18.050640 HTTPS://GOO.GL/MAPS/U14BD7PJHWJ