Am 6. Juni feiern die Schweden ihren Nationalfeiertag. Das das ist eine wunderbare Sache. 2016 habe ich im Slottsskogen Park, der grünen Lunge von Göteborg, zusammen mit tausenden von Menschen einen schönen Tag verbracht. Ehrlich, ich war baff und ziemlich ergriffen, welche Freude das Volk hier hatte und wie friedlich das Miteinander war.
Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte auf ein Open Air Konzert der Rolling Stones getippt. Massen pilgerten Richtung Park. Familien, Senioren mit und ohne Rollator, blonde Schweden, noch blondere Schwedinnen, Rocker, ganz viele Menschen ausländischer Herkunft, Touristen, alle bevölkerten die grossen Rasenflächen rund um die verschiedenen Bühnen im Slottsskogen. Mal in Gruppen um einen Grill, mal Pärchenweise auf einer Decke unter einem lauschigen Baum. Alle waren froh und munter.
Der Nationalfeiertag: ein Fest für Alle
So ein tolles Fest mit so vielen unterschiedlichen Menschen habe ich noch selten gesehen. Wir haben in der Schweiz ja auch einen schönen Nationalfeiertag und ich will auch nicht werten, welcher der Schönere ist. In der Schweiz ist Brunch auf dem Bauernhof und am Abend Grill mit Feuerwerk und hier pilgert man mit Freunden und Familie in den Park. Passt doch beides bestens.
Einige Kuriositäten gibt es allerdings schon an diesem Feiertag. Während bei uns alles, was eine Tür hat und auf Umsatz angewiesen ist, geschlossen hat, sind hier die meisten Läden geöffnet. Dies ist erstaunlich, da der 6. Juni ein offizieller Feiertag ist. Scheint aber niemanden gross zu kümmern. Auch die Gastronomiebetriebe freuen sich auf Gäste, die in Scharen erscheinen. Natürlich, Göteborg ist eine Grossstadt, und die Leute kommen von weit her. Trotzdem, bei uns arbeite am 1. August kaum einer freiwillig. Man stelle sich vor, der Coop hat geöffnet. Da würde es den Genossen der Gewerkschaften gar Schwarz vor Augen.
Nationalfeiertag ein Politikum
Und auch um die Entstehung des schwedischen Nationalfeiertages habe ich schon abenteuerliche Geschichten gehört. Ich bin mit einem Göteborger, der an einem Stand Kuchen verkaufte, ins Gespräch gekommen und er sagte, es gebe verschiedene Gründe weshalb man am 6. Juni feiert.
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der 6. Juni zu einem nationalen Gedenktag. Man feierte die Krönung von Gustaf Wasa zum König am 6. Juni 1523. Das ist insofern bedeutend, da gleichzeitung die Union mit Dänemark aufgelöst wurde und Schweden ab dann ein eigenständiger Staat war. Dieser Tag wurde schon im Mittelalter gefeiert und ab 1916 bezeichnete man ihn dann als „Tag der schwedischen Flagge.“ In die Verfassung aufgenommen wurde dieser Tag erst nach der Verfassungsreform 1974.
Die politischen Mühlen mahlen in Schweden ähnlich lange, wie in der Schweiz. Irgendwie war man mit dem Status des „Tags der schwedischen Flagge“ nicht so glücklich. 1983 beschloss das Parlament den 6. Juni in den Status des Nationalfeiertages zu erheben. Nun war dieser Tag in seiner Wichtigkeit gestiegen, geändert hat sich jedoch nicht viel, bis 2004 findige Köpfe dem Reichstag den Vorschlag machten, den Tag als offiziellen Feierttag einzuführen. Unter anderem die Verwunderung von Einwanderern darüber, dass Schwedens Nationaltag kein Feiertag ist, wurde als Grund für den Änderungsvorschlag angegeben. Diesen sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre neue Mitbürgerschaft zu feiern. Heute wird das genau so gemacht. Man begrüsst die neuen schwedischen Bürgerinnen und Bürger
Die Idee war, den Schwedinnen und Schweden einen zusätzlichen Feiertag schenken. Da schrien die Arbeitgeberorganisationen Zeter und Mordio, bei uns wäre das Herr Bigler vom Gewerbeverband, und sahen schon die Wirtschaft bachab gehen. Man einigte sich dann darauf, dass dafür der Pfingstmontag als Kompensation daran glauben musste. Jetzt waren natürlich die Gewerkschaften am Lamentieren, da der 6. Juni auch auf einen Sonntag fallen kann. Da haben die Arbeitnehmer dann einen freien Tag weniger. Wie bei uns: wie man’s macht, ist’s nicht recht.
Ist es gar nicht der 6. Juni?
Damit aber nicht genug der Komplikationen. Immer wenn die Historiker ihre Finger im Spiel haben, wird es kompliziert. Sie fanden nämlich heraus, dass Schweden 1523 noch dem julianischen Kalender folgte und erst 1753 zum gregorianischen Kalender wechselten, womit der damalige 6. Juni nicht dem heutigen entspricht. Ausserdem handelt es sich beim gefeierten Ereignis um Wasas Einzug in Stockholm, die Königswahl fand schon vorher statt, und gekrönt wurde er erst 1528. Verwirrung also wie bei unserem Rütlischwur und der geschlagenen Schlacht bei Marignano. Fakt ist und bleibt. 6. Juni = Schwedischer Nationalfeiertag = grundsätzlich frei, aber nicht für alle.
Somit verlassen wir die Fakten wieder und kommen zurück zum gemütlichen Teil. Die Verantwortlichen der Festivitäten lassen sich jeweils nicht lumpen. Auf mehreren Bühnen wird Musik, Tanz und Unterhaltung geboten. Der Auftritt der Göteborgs Symfoniker ist jeweils ein ganz besonderer Genuss. Nebst Unterhaltung gibt es auch die offiziellen Ansprachen und die Willkommensbotschaft an die neuen schwedischen Bürger. Aber grundsätzlich gilt, dabei sein ist viel spannender, als darüber zu lesen. Also ab nach Schweden.