Die Vasa war ein königliches Prestigeprojekt, das schneller unterging als ein schlecht geschmierter Heringskutter. Trotzdem ist das Schiff heute ein Star, der in einem der spektakulärsten Museen Europas glänzt. Wer die Vasa einmal gesehen hat, vergisst sie nie. Wer ihre Geschichte kennt, versteht, dass Schiffe auch an Stolz untergehen können. In meinem Artikel erzähle ich dir von einem der grössten Scheitern Schwedens und was das mit Italien zu tun hat.

Im Jahr des Herrn 1625 befahl König Gustav II. Adolf: «Ein Kriegsschiff muss her. Gross, stark, schön und bitte mit Kanonen bis unters Dach.» Was folgte, war ein architektonisches Himmelfahrtskommando mit Goldverzierung: Die Vasa sollte nicht nur die Ostsee dominieren, sie sollte Gegner schon durch ihren Anblick erschüttern.
Die Schiffsbauer machten sich 1626 ans Werk. Sie verzierten das Heck mit über 700 Figuren: Löwen, römische Helden, bärtige Männer, allegorische Damen. Der Rumpf war majestätisch, das Bugbild theatralisch. Das war ein schwimmendes Kunstwerk auf Kriegsfuss

Ein Problem gab es jedoch. Der König wollte mehr Kanonen. Zwei schwere Decks sollten es sein. Doch das Schiff war zu schmal, zu hoch, zu kopflastig. Wer einmal versucht hat, ein Bücherregal auf Rollschuhen zu balancieren, weiss, wie das ausgehen kann. Am Schluss waren es 64 Kanonen auf einer Schiffslänge von ca. 69 Metern.
Die Vasa, die aus Italien kam
Lass mich hier einen kleinen Einschub machen. Schliesslich braucht der Bau eines Kriegsschiffs etwas Zeit. Im Mai 2025 erreichte mich die Anfrage der Schwedischen Botschaft in Bern, ob ich nicht an der Übergabe eines Modells der Vasa dabei sein wolle. Natürlich wollte ich. Dabei lernte ich, dass das Leben eben doch Kapitel erfindet, die keinem Drehbuchautor in den Sinn kommen würden.

Hans Diener, 85 Jahre jung und mit dem Herzen eines Abenteurers ausgestattet, reiste jahrzehntelang mit seiner Partnerin im Wohnmobil in die Toskana. Es war immer derselbe Ort, immer derselbe Campingplatz, irgendwo zwischen Olivenhainen und Meeresbrise, zwanzig Kilometer von Livorno entfernt. Dort traf er auf den Italiener Giovanni. Dieser war passionierter Modellbauer mit einem feinen Händchen und noch feinerem Herzen. Giovanni schenkte Hans eines Tages, einfach so, ein detailliertes Modell der Vasa. Warum ausgerechnet die Vasa? Reiner Zufall. Weder Hans noch Giovanni hatten je etwas mit Schweden am Hut. Und doch landete das Schiff, dank Wohnmobil und offenem Geist, irgendwann im beschaulichen Rüti im Kanton Zürich.

Als die Jahre voranschritten und Hans spürte, dass die Zeit reif war, suchte er ein würdiges Zuhause für das Meisterwerk aus Holz und Geschichte. Und wo könnte das sein, wenn nicht in der Schwedischen Botschaft in Bern? Der Botschafter sagte zu und schickte Hans zur Krönung sogar eine Limousine zur Abholung. In der Hauptstadt angekommen, wurde das Modell feierlich übergeben. Botschafter Carl Magnus Nesser lobte die akribische Detailtreue und betonte die symbolische Bedeutung dieses Geschenks für das kulturelle Gedächtnis seines Landes.

Heute steht das Modell der Vasa in der Botschaft, wo es mit stolzer Eleganz an die grosse Geschichte ihres gesunkenen Originals erinnert. Nach der Übergabe wurde natürlich gefeiert. Typisch Schweden gab es Fika mit Kaffee, Princesstorte und einem Hauch von nordischem Pathos mitten in der Schweiz. Wer sagt denn, dass Geschichte immer aus Kanonenlärm bestehen muss? Manchmal genügt ein Modell, ein Campingplatz und ein herzliches «Grazie» oder «Tack». Aber nun wieder zurück in die Vergangenheit und dem Bau der Vasa.
Der Untergang der Vasa: 20 Minuten Ruhm, dann Blubb
10. August 1628. Die Sonne strahlte über Stockholm. Tausende schwenkten Fähnchen, Musik erklang, Kinder hingen an den Röcken ihrer Mütter. Die Vasa verliess majestätisch den Hafen. Ob es genau so war? Ich stelle mir das jedenfalls so vor.

Dann kam eine Windböe. Keine Orkanböe, kein Nordmeersturm, nur ein schüchternes Pusten. Immerhin kann ein Pusten auch das Licht einer Kerze löschen. Die Vasa neigte sich leicht. Wasser schmatzte durch die offenen unteren Kanonenluken. Sie neigte sich mehr. Die Menge hielt den Atem an. Und dann: «Schlürf. Gluck. Blubb.» Die Vasa sank vor aller Augen. Keine halbe Seemeile weit war sie gekommen. Etwa 30 Menschen starben. Und ganz Schweden hatte ein Problem, das nicht unter den Teppich zu kehren war. Es lag mitten im Hafenbecken.
Die Bergung: Dornröschenschlaf in Schlick und Schweigen
Jahrhunderte lang schlummerte die Vasa unter Wasser. Der gefallene Koloss war umgeben von Schlamm, Flaschenscherben und längst verstummten Geisterrufen. Doch 1956 witterte der Ingenieur Anders Franzén eine Spur. Er suchte und fand. Und was für ein Schatz! Dank des niedrigen Salzgehalts der Ostsee war das Holz kaum verwittert.

1961 stieg die Vasa aus der Tiefe empor. Wie ein aufgetauchter Wal aus einer anderen Zeit. Zuschauer jubelten. Wasser quoll aus den Balken. Jahrhundertealte Seile, Schuhe, Werkzeuge, selbst Butterfässer kamen ans Licht, wie eine eingefrorene Zeit. Ein schwedischer Atlantis-Moment.
Das Vasamuseet: Ein Tempel für das größte Missverständnis der Seefahrt
Heute steht die Vasa in einem eigens für sie erbauten Tempel auf der Insel Djurgården in Stockholm. Wer das Vasamuseet (Vasa-Museum) betritt, tritt ein in eine andere Welt. Der Duft von konserviertem Holz, das schummrige Licht, das Schiff über sechs Etagen hoch, riesig, bedrohlich, wunderschön.

Es ist, als wäre man an Bord eines Geisterschiffs gelandet. Nur dass dieses hier sehr real ist. Man sieht das geschnitzte Heck, als wäre Michelangelo von einem Berserker besessen gewesen. Man schaut in Kanonenrohre, die nie gefeuert haben. Und man erfährt, wie man ein Schiff nicht baut, dafür aber bewahrt.
Jährlich pilgern über eine Million Besucher in das Museum. Es ist das meistbesuchte seiner Art in Skandinavien. Und man versteht, warum: Die Vasa ist nicht einfach ein Wrack. Sie ist ein Denkmal menschlicher Hybris, technischer Raffinesse und am Ende auch der Erkenntnis, dass man aus Fehlern Denkmäler bauen kann.
Das Vasamuseet hat täglich geöffnet. Wer früh kommt, meidet die Kreuzfahrttouristen. Und wer das Café im Museum besucht, sollte unbedingt die Zimtschnecken probieren. Sie sinken garantiert nicht.
Vasamuseet
Galärvarvsvägen 14, 115 21 Stockholm
https://www.vasamuseet.se/
Fazit: Mehr Drama als Netflix, mehr Holz als ein IKEA-Lager
Die Vasa war der Stolz eines Königs, das Grab vieler Matrosen und heute das wohl schönste Mahnmal für die Wucht des Wassers und die Grenzen des Willens. Wer Stockholm besucht und das Vasamuseet auslässt, verpasst eine der spannendsten Geschichten der europäischen Seefahrt. Also: Auf nach Djurgården, rein ins Museum. Staune, wie 1.200 Tonnen Geschichte aussehen, wenn sie auf Stelzen stehen.
Quellen: Vasamuseet, Wikipedia, ChatGPT
Titelbild: Mit KI erstellt, da es ja keine Fotos vom Stapellauf der Vasa gibt 😉