Dalahästar: Wie ein Spielzeug Kult wurde

Geschichte und Herstellung des "Schweden-Symbols"

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Wer kennt sie nicht, die buntbemalten Holzpferde, die es in jedem Souvenir Shop in Schweden zu kaufen gibt. Diese schmucken Kunstwerke nennen sich Dalahästar und werden in Dalarna von Hand hergestellt. Der Boom der roten Pferde hat an der Weltausstellung 1939 in New York seinen Anfang genommen.

Dalahästar
Falsche Fahne gehisst. (Foto: (Bild: Twitter/Sven Carlsson)

Tatsächlich fängt meine Geschichte in New York an. Allerdings im Frühjahr 2018 und nicht 1939. Das schwedische Unternehmen Spotify (Musikstreaming) ging in New York an die Börse und die New York Stock Exchange leistete sich einen veritablen Fauxpas. Sie hissten die Schweizer, statt die Schwedische Flagge. Peinlich.

Du ahnst es. Die beiden Staaten sind aber auch zum Verwechseln ähnlich. Beide Länder sind landschaftliche Perlen, produzieren hervorragende Messer (Victorinox und Morakniv) und handgeschnitzte Tierfiguren sind Exportschlager. Und da nähern wir uns nun langsam dem Thema.

Die Kuh in der Schweiz, das Pferd in Schweden

Was die Dalahästar in Schweden, sind die Trauffer-Kühe in der Schweiz. In Brienz, einem keinen Ort im Berner Oberland, steht die Trauffer Holzspielwaren AG. Hier werden seit 1938 die bekannten Trauffer-Kühe von Hand fabriziert. Heute leitet Marc Trauffer in dritter Generation das Unternehmen, das sich ganz den hochwertigen Holzspielzeugen verschrieben hat.

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Marc Trauffer ist „Herr“ der Kühe. (Foto: Trauffer Holzspielwaren AG)

Ganz nebenbei ist Marc Trauffer aktuell einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker. Der Schweizer „Andreas Gabalier“ füllt Stadien und heimst Auszeichnungen en Masse ein. Er führt aber auch seine Firma mit bedachter Hand durch eine Zeit, wo Plastik-Barbies, iPad und Co in den Kinderzimmern immer mehr Überhand nehmen.

Ich habe in meiner Kinderzeit selbstverständlich auch mit Tierfiguren von Trauffer gespielt, und da ich Marc bestens kenne, war für mich klar, dass sich die Kuh aus der Schweiz auf den Weg zum Pferd in Schweden machen musste. Ich packte ein besonders schönes Exemplar ein und startete Richtung Dalarna.

Nusnäs, die Dalahästar Hochburg

Fündig wirst du in einem kleinen Ort, unweit von Mora, inmitten der wunderschönen Provinz Dalarna. In Nusnäs stehen die zwei bekannten und relevanten Dalahästar-Fabriken. Nils Olsson Hemslöjd AB und Grannas A Olsson Hemslöjd AB liegen praktisch Tür an Tür am Edåkersvägen. Es lohnt sich also bei beiden vorbeizuschauen.

Kuh trifft Pferd. Andrea Ullius tauscht mit Lennart Ihrén „Spielzeug“ (Foto: Andrea Ullius)

Einer, der sich bestens mit der Geschichte der Dalahästar auskennt, ist Lennart Ihrén, Chef von Nils Olsson Hemslöjd AB. „Angeblich hat man schon um 1500 geschnitzte Pferde aus Holz gefunden, diese Quellen sind jedoch nicht belegt. Die ersten schriftlichen Quellen sind mir aus dem Jahre 1624 bekannt. Eine besagt, dass der Bischof von Västeras die Holzpferde aus seiner Kirche verbannte, da sie angebliche von Hexen geritten wurden“, erzählt Lennart. Wenn man weiss, dass besagter Bischof den Weltrekord im Hexenverbrennen hat, dann haben die Dalapferde auch etwas Tragisches an sich.

Die ersten Holzpferde wurden von Holzarbeitern in ihren Hütten im Wald geschnitzt. In den kalten, dunklen und langen Winternächten vertreiben sie sich so die Langeweile und fabrizierten für ihre Kinder diese Figuren als Spielzeug. Wieso gerade Pferde? Lennart Ihrén weiss die Antwort. „In dieser Zeit galt das Pferd als das wertvollste Tier. Im Winter transportierte es das Holz und im Sommer pflügte es den Acker.“

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Die ersten Dalahästar waren nicht bemalt. (Foto: Andrea Ullius)

Umherfahrende Händler fanden gefallen an diesen kleinen Kunstwerken aus Holz und kaufen sie den Arbeitern ab. Das motivierte die handwerklich sehr begabten Holzfäller weitere Figuren zu schnitzen. Der Bedarf nach Spielzeug und Dalahästar stieg mit der Zeit und so rechte es den Waldarbeitern zu einem kleinen Nebenverdienst.

Ein findiger Kaufmann namens Hansson akzeptierte in seinem kleinen Landen in der Nähe vom Mora die Holzpferde als Zahlungsmittel und machte spätestens ab 1900 ein gutes Geschäft mit den immer zahlreicheren Touristen.

In dieser Zeit waren die Holzpferde noch nicht bemalt, dies geschah erst ab ungefähr 1830. Die Motive und die Technik der Kurbitsmalerei, mit der die Dalahästar bemalt werden, sind typisch für die Region Dalarna.

Die Dalahästar in der Neuzeit

Der Begründer der ersten Manufaktur für Dalahästar war Grannas Anders Olsson. 1926, im Alter von 26 Jahren, begann er mit der „Serienproduktion“ der Pferde. Seine Werkstatt befand sich auf dem Hof seines Vater in einem kleinen Bäckerhäuschen. Nebst den Dalapferden fertigte der geschickte Olsson auch Webstühle und vieles mehr aus Holz an.

Da Grannas Anders Olsson sehr kreativ war und einen grossen Unternehmergeist besass, überlegte er sich, wie man die Dalahästar effizienter herstellen konnte. Er entwickelte Schablonen für die Pferde in unterschiedlichen Grössen. Mit einer rudimentären Handsäge konnte er dann die Rohlinge bequem aus dem Holz sägen. Damit war der Grundstein zu einer einheitlichen Form der Dalahästar gelegt.

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Zuerst werden die Pferde mit einer Schablone auf das Holz aufgezeichnet: (Foto: Andrea Ullius)

Die erste „richtige“ Fabrik schliesslich wurde von Nils und Janne Olsson im Jahren 1928 gegründet. Die beiden Brüder waren da erst 13 und 15 Jahre alt. Sie nahmen einen Kredit von 400 Kronen auf und kauften sich eine Bandsäge. Man kann sich vorstellen, dass die Mutter der zwei Wagemutigen manche eine schlaflose Nacht hatte, beim Gedanken, wie die beiden Söhne diese horrende Summe je zurückbezahlen wollten.

Und nun kommt wieder New York ins Spiel. 1939 fand in eben dieser Weltmetropole die Weltausstellung statt. Schweden war mit einem tollen Pavillon vertreten. Ein schwedischer Architekt, der mit der Gestaltung der Ausstellung betraut war, stellte ein drei Meter hohes Dalahäst auf. Die Leute waren begeistert und der Weg des Dalapferdes zum nationalen schwedischen Symbol konnte nicht mehr aufgehalten werden.

Schritt für Schritt zum einzigartigen Dalahäst

Die Produktion eines Dalapferdes erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst werden mit Stempel oder Schablone die Umrisse der Pferde auf die Hölzer aufgemalt. In der Regel wird Tannenholz verwendet. Anschliessend wird mittels Bandsäge der Rohling des Dalahästar ausgeschnitten. Das ist der einfach Teil der Produktion.

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Präzision ist auch beim Sägen erforderlich. (Foto: Andrea Ullius)

Nun kommt die wichtigste Arbeit. Die Pferde werden von Hand und grosser Präzision geschnitzt. Aktuell arbeiten 50 bis 60 Menschen, meist Zuhause, als „Schnitzer“ für Nils Olsson. „Ein talentierter Mitarbeiter braucht etwa zwanzig Minuten um ein Dalahästar zu schnitzen“, sagt Lennart Ihrén.

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Ein „Schnitzer“ braucht eine ruhige Hand. (Foto: Andrea Ullius)

Was so einfach aussieht, ist eine wirkliche Kunst. Von 10 Menschen, die das Schnitzen lernen wollen, schafft es lediglich einer ein richtiger Dalapferd-Schnitzer zu werden. Man braucht eine ruhige Hand und die Fähigkeit dreidimensional zu denken. Ich habe es mal versucht. Es blieb bei einem Versuch. Wenn du das auch testen möchtest, dann bietet Morakniv ein Set mit Rohling und Messer an. Viel Spass.

Von Morakniv gibt es ein Dalahäst-Set

Nach dem Schnitzen, werden die Pferde geschliffen, Unebenheiten werden ausgespachtelt. Dann kommen die Pferde ins „Spritzwerk“ und werden mit der ihnen zugedachten Farbe eingefärbt. Rot ist immer noch die Lieblingsfarbe der Käufer. Unterdessen kannst du die Dalapferde aber in allen möglichen Colorationen kaufen.

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Schleifen, bis jedes Pferd glatt ist. (Foto: Andrea Ullius)

Sind die farbigen Dalahästar getrocknet, werden sie von Hand bemalt. Wenn du den Damen bei der Bemalung zuschaust, dann wird dich die Sicherheit und Präzision faszinieren, mit welcher die Pferde ihre Dekoration erhalten. Du hast das Gefühl, dass jedes Dalahästar genau gleich aussieht. Dabei ist Jedes ein Unikat, auch wenn es sich zum Teil nur durch Nuancen unterscheidet. Vom Entwurf bis zum fertigen Dalahästar dauert es knapp zwei Wochen.

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Wahre Kunstwerke entstehen, wenn die Tiere bemalt werden. ( Foto: Andrea Ullius)

Wenn du selber einmal bei der Produktion der Dalahästar dabei sein möchtest, kannst du einfach die Fabriken in Nusnäs besuchen. In den Fabrikläden kannst du dich mit dem Pferd deiner Wahl eindecken und auch noch weiter Kostbarkeiten aus Dalarna entdecken. Übrigens: Die echten Dalapferde haben eine Etikette auf dem Bauch. Falle nicht auf die billigen China-Kopien rein.

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In allen Farben und Grössen gibt es die Dalahästar. (Foto: Andrea Ullius)

Wenn du einmal ein Dalahästar in Gross sehen möchtest, findest du das grösste in Avesta. Es ist aus Beton und 13 Meter hoch. Ähnlich imposant ist das Exemplar, welches ich fotografiert habe (Titelbild). Es steht in Mora und trotz dort seit Jahren Wind und Wetter.

Dieser Artikel ist in gekürzter und leicht angepasster Form auch im Nordis Magazin erschienen.

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Autor des Artikels

Andrea Ullius
DROGIST - AUTOR - BLOGGER UND SCOUT Vom Norden begeistern, am Rest der Welt interessiert. Schreibt vorwiegend in und über Schweden, Skandinavien und die Schweiz. Ich schreibe auf www.schwedenhappen.ch und www.ullala.ch Freischaffender Autor für NORDIS MAGAZIN, NORDCAMPER und NORDLAND MAGAZIN und weitere. MEMBER of DEUTSCHER VERBAND DER PRESSEJOURNALISTEN. MEMBER OF SWISS TRAVELCOMMUNICATORS. AMBASSADOR of SKANDINAVIEN.LIVE.